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In der vergangenen Woche fand die Generalversammlung des belgischen Milchindustrieverbands BCZ-CBL statt. Die Agrofront nahm die Gelegenheit wahr, um die Molkereien auf ihre Verantwortung gegenüber den Milcherzeugern hinzuweisen. Hier das verlesene Schreiben in vollem Wortlaut.

 

Vorab möchten wir uns bedanken, dass Sie uns die Möglichkeit bieten, unsere Anliegen auf Ihrer Generalversammlung vorzubringen. Wie Sie, so hätten natürlich auch wir uns positivere Umstände für diese Zusammenkunft gewünscht, mit günstigen Resultaten für den Milchsektor in seiner Gesamtheit, also sowohl für die Milcherzeuger wie für die Molkereien.

Wir müssen feststellen, dass sich die wirtschaftliche Lage im Milchsektor bereits seit geraumer Zeit verschlechtert. Langsam aber sicher landen wir in einer tiefen Krise, die alle Milcherzeuger trifft. Eine Krise, die noch schlimmer ist als in den Jahren 2009 und 2012. Diese Entwicklung und die Tatsache, dass kurz- und sogar mittelfristig keine Aussicht auf Besserung besteht, rechtfertigt, dass wir Ihnen einige Minuten Ihrer Zeit nehmen, um unsere Bestürzung, aber auch unsere Erwartungen für die Zukunft zum Ausdruck zu bringen.

Gemeinsam Lösungen finden

Über die Ursachen der Krise ist bereits alles gesagt worden. Es ist deutlich, dass die Preise infolge eines großen und weiter zunehmenden Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage in den Keller gefallen sind. Die regionale, die föderale und insbesondere die EU-Politik sind dringend gefordert, sich auf neue politische und wirtschaftliche Vereinbarungen auf Weltebene zu verständigen. Wir müssen aber auch feststellen, dass die Abwärtsspirale der Milchpreise auch in einem direkten Zusammenhang mit dem Konkurrenzkampf steht, den die großen Handelsketten sich auf dem europäischen Markt liefern. Und dies obwohl jeder in der Kette sich der Bedeutung einer lokal verankerten Milcherzeugung für die Versorgung mit qualitativ hochwertiger Milch bewusst ist. Es ist deshalb essenziell, das wirtschaftliche Überleben aller Milcherzeuger zu sichern.

Seit der Verabschiedung des Milchpakets im Jahr 2011 bestehen Instrumente, um auf Überschusssituationen zu reagieren, wie wir sie bereits in den Jahren 2008 und 2009 gekannt haben. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche interprofessionelle Vereinbarungen getroffen worden. Darüber hinaus sind eine Reihe von Instrumenten entwickelt worden – man denke z.B. an die Erzeugerorganisationen. Und mehr rezent haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den famosen Artikel 222 zu aktivieren. Dieser erlaubt Erzeugerorganisationen und Genossenschaften Absprachen im Hinblick auf eine freiwillige Senkung der Produktionsmengen. All diese Instrumente haben die Krise nicht verhindern können.

In Zukunft müssen sowohl die Privat- als die Genossenschaftsmolkereien noch mehr über Alternativen zum aktuellen System nachdenken und diese unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Situation entwickeln und umsetzen. Wir denken hierbei an Lieferverträge, die Bildung finanzieller Reserven, Versicherungssysteme, Terminmärkte, Diversifizierung und die Steigerung der Wertschöpfung durch die Molkereien, um Preisschwankungen in Zukunft besser zu glätten. Laut EU-Kommissar Hogan müssen derartige Initiativen von den Milchketten selbst ausgehen.

Wir müssen alle zusammenarbeiten und nach echten Lösungen suchen, die diese Krise strukturell angehen und sich auf einen größeren Respekt und mehr Vertrauen zwischen den Erzeugern und ihren Abnehmern stützen.

Schlüssel für eine solide Wirtschaft

Ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist der Schlüssel für eine solide Wirtschaft. Die einzige wirkliche Möglichkeit, das derzeitige Überangebot an Milch in den Griff zu bekommen und das Gleichgewicht wieder herzustellen, sind zeitlich befristete produktionsregulierende Systeme. Um tatsächlich Wirkung zu zeigen, müssen diese Systeme auch in anderen EU-Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen. Darüber hinaus bedarf es einer Finanzierung durch die EU.

Die Problematik ist komplex und die Interessen sind unterschiedlich. So besteht ein Spannungsfeld zwischen dem makroökonomischen Interesse an einer globalen Angebotssenkung und dem individuellen (mikroökonomischen) Interesse des einzelnen Milcherzeugers, der seine Produktion steigert, um sein Einkommen einigermaßen zu halten. Aber jeder in der Kette muss erkennen, dass die heutige Situation langfristig für niemanden lebensfähig ist. Die Krise in der Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur aussitzen wollen und weiter drauf los produzieren, würde für die Milcherzeuger in einer Katastrophe enden. Zusammen mit Ihnen möchten wir den Milcherzeugern, aber auch ihren Kollegen in den anderen Mitgliedstaaten, den europäischen Instanzen und unseren Ministern, die auf dem anstehenden Agrarrat über konkrete und nachhaltige Lösungen entscheiden müssen, diese Botschaft auf den Weg geben.

Blutbad verhindern

Nochmals, entweder kommt eine europäische Lösung oder es kommt keine Lösung! Wenn niemand den ersten Schritt tut, wird sich nichts ändern. Wenn wir ein Blutbad in der Milcherzeugung verhindern wollen, dann müssen wir unverzüglich gemeinsam handeln! Dies würde zudem das Vertrauen zwischen uns für die Zukunft stärken.

Abschließend kommen wir nicht daran vorbei, einen anderen besonders negativen Aspekt anzusprechen. Jüngst stellten wir fest, dass gewisse Molkereien unter dem Vorwand stark gestiegener Anlieferungen Lieferanten abstoßen. Diese Vorgehensweise ist absolut inakzeptabel und dem gegenseitigen Respekt und Vertrauen nicht förderlich. Wir zählen auf BCZ-CBL, um derartige Praktiken ebenfalls zu missbilligen. Wir begrüßen, dass BCZ sich bereiterklärt hat, zusammen mit den landwirtschaftlichen Verbänden nach Alternativen zu suchen, um eine solche Vorgehensweise in Zukunft zu vermeiden.

Und nicht zuletzt möchten wir die Milchindustrie daran erinnern, dass BCZ-CBL jüngst im Rahmen der Kettenverhandlungen den Verhaltenskodex für faire Handelspraktiken zwischen den Erzeugern und ihren Abnehmern unterzeichnet hat. Wir fordern Sie auf, entsprechend zu handeln und als echte Partner aufzutreten. Denn ohne Zukunft für die Milcherzeuger gibt es auch für die Milchindustrie keine Zukunft!