Am 14. März kommt der neue EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen, nach Ostbelgien. Schwerpunktmäßig wird er die soeben veröffentlichte ehrgeizige „Vision für die Zukunft von Landwirtschaft und Ernährung in Europa“ der EU-Kommission vorstellen. Der landwirtschaftliche Berufsstand setzt große Hoffnungen in den Luxemburger – nicht nur, weil er mit 43 Jahren so jung ist wie kein anderer europäischer Agrarkommissar vor ihm. Sondern vor allem, weil Hansen mit der landwirtschaftlichen Praxis und mit den Bedürfnissen und Sorgen der Landwirte besser vertraut sein dürfte als manch einer seiner Vorgänger, denn er kommt von einem landwirtschaftlichen Betrieb Viehhaltung hier im Dreiländereck Luxemburg-Rheinland-Pfalz-Wallonien.
Die Erwartungen an Hansen sind groß, aber der Agrarkommissar ist heute längst nicht mehr so mächtig wie z.B. in den 1970er Jahren, als die Landwirtschaft praktisch der einzige Politikbereich war, den die Mitgliedsaaten wirklich an Brüssel abgetreten hatten. Damals war der Agrarkommissar Herr über mehr als drei Viertel des gesamten EU-Haushalts; heute beträgt der Anteil der Gemeinsamen Agrarpolitik am EU-Budget nur mehr rund 25%. Obwohl: Alleinherrscher war und ist ein Kommissar nie, denn die ausführenden Entscheidungen der Kommission werden kollegial getroffen, also im Einvernehmen aller Kommissare.
Wie in anderen demokratischen Körperschaften herrscht auch in der EU eine Gewaltentrennung: Die Zuständigkeiten für Gesetzgebung (Legislative), Vollziehung der Gesetze (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sind strikt auseinandergehalten. Darüber hinaus ist die Legislative noch einmal doppelt abgesichert: Gesetzesvorschläge müssen zwei Hürden nehmen. Was in Belgien die Abgeordnetenkammer (das föderale Parlament) und der Senat sind, sind auf EU-Ebene der Ministerrat und das Europäische Parlament. Beide Instanzen müssen einem Vorschlag zustimmen, damit dieser Gesetzeskraft erhält. Weil die Vorstellungen und Standpunkte der drei implizierten Institutionen mitunter nicht übereinstimmen, treten sie in Verhandlungen – den sog. Trilog –, um zu einem Kompromiss zu finden. In einem wichtigen Punkt weicht die europäische Funktionsweise von der in demokratischen Staaten üblichen Prozedur ab: In der EU kann nur die Kommission einen Gesetzesvorschlag einbringen (sog. Initiativrecht), während die Initiative in den Nationalstaaten in der Regel vom Parlament selbst ausgeht.
Ist ein europäisches Gesetz verabschiedet, dann muss es auch umgesetzt werden. Dabei ist die EU-Kommission für die Europäische Union das, was die Regierung für einen Staat ist: die ausführende Gewalt (Exekutive). In diesem Sinne überwacht sie als „Hüterin der europäischen Verträge“ die Einhaltung des Europarechts durch die EU-Mitgliedstaaten.
In dieser europäischen Regierung ist der Agrarkommissar sozusagen der europäische Landwirtschaftsminister. Wie in den Nationalstaaten steht der „Minister“ auch auf europäischer Ebene einem Ministerium vor, die sog. Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, kurz DG AGRI. Deren Beamtenstab – rund 1.000 Mitarbeiter, die auf zehn Fachdirektionen aufgeteilt sind – unterstützt ihn dabei, dafür zu sorgen, dass die europäischen Rechtsakte der Gemeinsamen Agrarpolitik in allen Bereichen (Marktorganisation, wirtschaftliche Analysen und Bewertungen, Qualitätspolitik…) sowie der Agrarhaushalt korrekt ausgeführt werden.
Am 14. März haben wir und Sie die Gelegenheit, auf Tuchfühlung mit dem Mann zu gehen, der die Geschicke der Landwirtschaft in den kommenden Jahren – mindestens bis 2029 – ganz wesentlich prägen wird.