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Zurück zu Aktuelles >TTIP: Fluch oder Segen für die Landwirtschaft?


Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA – kurz TTIP – werden kontrovers diskutiert. Bauernbund und Ländliche Gilden haben mit einem Vortrags- und Diskussionsabend im Parlament der DG einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussionen geleistet.

Mit Willi Kampmann vom Brüsseler Büro des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und dem EU-Parlamentarier Pascal Arimont konnten zwei hochkarätige Redner und Kenner der Materie verpflichtet werden. Viele Landwirte, interessierte Bürger und politische Entscheidungsträger aller Couleur folgten den Ausführungen mit Interesse.

Kampmann legte die Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Gefahren eines Abkommens aus Sicht der europäischen Landwirtschaft dar. Er sieht für die EU (und speziell für die deutsche Wirtschaft) ein großes Interesse an einem „fairen, ausgewogenen“ Abkommen mit den USA. Und: Er ist überzeugt, dass die EU es nicht wagen wird, die EU-Verbraucherstandards zur Disposition zu stellen.

Arimont legte den Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Aspekte und auf die Gefahren, die die Verhandlungen in seinen Augen für die europäische Demokratie darstellen. Geht es nach ihm, dann müssen die Verhandlungen, denen er eine fehlende Legitimität unterstellt, unverzüglich unterbrochen und erst wieder aufgenommen werden, wenn detailliert und demokratisch definiert ist, zu welchen Zugeständnissen die EU bereit ist.

Ungeborenes Kind

Apropos Zugeständnisse: Verhandlungen sind immer ein Nehmen und ein Geben. Beide Redner legten dar, was man aus europäischer Sicht nehmen möchte und ebenso, was man auf keinen Fall geben will, nämlich Zugeständnisse im Bereich der Lebensmittelstandards (GVO, Hormonfleisch, Chlorhähnchen, …). Aber was man zu geben bereit ist, ließen beide Parteien offen. Möglicherweise erübrigt es sich unter diesen Umständen, dass die Verhandlungen von EU-Seite abgebrochen werden. Denn vielleicht ziehen die USA die Reißleine …

Arimont räumte ein, dass man über ein „ungeborenes Kind“ diskutiert. Denn beschlossen ist noch gar nichts. Und selbst wenn sich die Unterhändler auf einen Text einigen, ist das Abkommen damit noch längst nicht in trockenen Tüchern. Dazu muss es von erst vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die politischen Entscheidungsträger sich vor dieser Verantwortung drücken möchten.

Für Kampmann steht außer Zweifel: Die Globalisierung der Welt wird weiter voranschreiten. „Die Frage ist nicht, ob der Handel weiter globalisiert wird, sondern wie“, so der DBV-Experte. Pascal Arimont räumte ein, dass einige Branchen von einem Abkommen profitieren würden, auf andere, darunter die Landwirtschaft, würde es sich dagegen negativ auswirken.

Bauernopfer?

Beide sind sich einig, dass die Knackpunkte überwiegend im Agrar- bzw. Ernährungsbereich liegen; aus anderen Wirtschaftssektoren komme kein Widerstand. Und damit wären wir beim eigentlichen Problem, das erst in der Diskussionsrunde – und dort auch nur kurz – zur Sprache kam: Welchen Stellenwert hat die Landwirtschaft in derartigen Verhandlungen? Kampmann gab einen Hinweis: Momentan wird in Deutschland über die Aufnahme von Verhandlungen mit Australien und Neuseeland über ein Freihandelsabkommen diskutiert. In einem Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel hat der DBV diesbezüglich größte Bedenken aus landwirtschaftlicher Sicht ausgedrückt. Die Antwort der Kanzlerin war vielsagend: „Deutschland hat ein wirtschaftliches Interesse an einem Abkommen mit Ozeanien; die Interessen der Landwirtschaft wird man in den Verhandlungen angemessen berücksichtigten.“ Angemessen! Will heißen: proportional zu ihrer Bedeutung für die Gesamtwirtschaft. Und wenn man sich diese Proportion vor Augen hält, dann kann man sich das Ergebnis aus Sicht der Landwirtschaft ausmalen: Wie in der Vergangenheit in den WTO-Verhandlungen wird man die Interessen der Landwirtschaft den Interessen wichtigerer Wirtschaftszweige opfern!